Komische Oper Berlin, Season 2021/2022
“KÁT’A KABANOVÁ“ (Katya Kabanova)
Opera in three acts. Libretto by the composer after the play „Groza“ by Alexander N. Ostrovski
Music Leoš Janáček
Dikoy, a merchant JENS LARSEN
Boris, his nephew MAGNUS VIGILIUS
Kabanikha, widow of a rich merchant DORIS LAMPRECHT
Tikhon, her son STEFAN RÜGAMER
Katya, his wife ANNETTE DASCH
Kudryash, teacher, chemist, mechanic TIMOTHY OLIVER
Varvara, Kabanovs’ foster daughter KAROLINA GUMOS
Kuligin, Kudryasch’s friend NIKITA VORONCHENKO
Feklusha, servants SYLVIA RENA ZIEGLER
A woman CAREN VAN OIJEN
Chorus soloists of the Komische Oper Berlin
Orchester der Komischen Oper Berlin
Conductor Giedrė Šlekytė
Chorus Jean-Christophe Charron
Production Jetske Mijnssen
Stage Julia Katharina Berndt
Costumes Dieuweke van Reij
Light Mark van Denesse
Berlin, opening night 27th November 2021
Katya Kabanova by Leoš Janáček was premiered one hundred years ago, on 23rd November 1921. The Komische Oper Berlin has staged it in a new production by Jetske Mijnssen suited by the bleakness of November weather here. It is not a feel good opera: about a woman trapped in a miserable marriage, who falls in love and is driven to suicide. Mijnssen along with her stage and costume designers Julia Katharina Berndt and Dieuweke van Reij transpose Janáček’s great tragedy to the second half of the 20th century by focusing on how confined Katya’s life is. Identical windowless rooms in a row are moved to either side. They are connected to each other by doors, and there is a big double wing door on the rear side of each room opened in the garden scene only to show grey mist in the dark, which does not allow for any of the otherwise common romantic moments. The production in its abstractness does without any hints to the Volga River, the thunderstorm or the small-town community. In the last act, the chorus soloists of the Komische Oper Berlin superbly sing behind the scene. Yet it is a compelling production, fierce in its compassion and often unsparing in its social and emotional detail, which makes up for missing naturalism in favour of packed realism. There are a few logical changes to the original plot: Kudryash is giving a lesson at Dikoy’s in the opening scene and Katya is finally poisoning herself instead of jumping into the Volga. Not a new but brilliant idea again: a family dinner at the Kabanovs that reveals the prevailing emotional coldness. There is a rare happy moment when Katya reminisces about her childhood by waving a white sheet. As a married woman, she is not allowed to do what the more hopeful young couple Varvara and Kudryas do or even Dikoy and her mother-in-law, when the merchant spends the night with the widow – sheer hypocrisy! Musically, it is also superb. Giedrė Šlekytė conducts the Orchester der Komischen Oper Berlin for the first time. The playing is faultless in both richness and detail. She gives us a magnificent interpretation of the score’s lyricism and its underlying sense of unease with no loss in symphonic oomph – an excellent debut! Annette Dasch also makes her debut in the title role and at the Komische Oper. She probes Katya’s tortured psyche with unflinching veracity in moments of pain and beauty alike. She sings with striking commitment and radiance of tone but little dramatic momentum. Chilly in tone, Doris Lamprecht’s fearsome and ferocious Kabanikha leaves no doubt that she pulls the strings like a ruthless businesswoman treating her daughter-in-law with barely disguised contempt, manipulating Dikoy sung by Jens Larsen’s adequately blustering bass, and viciously dominating her feeble son Tikhon, so that we feel for him by the end. He is sung by Stefan Rügamer whose tenor voice has shaped up as more accentuated and dramatic. Also dramatic in tone, Magnus Vigilius excels as Boris with his solid tenor and a remarkable vocal power. Timothy Oliver is outstanding as Kudryash not only in the garden scene in which Karolina Gumos’s pragmatic Varvara deploys her flexible mezzo-soprano as well as in the scenes with Katya for some of the most beautiful parts of the score. Photo Jaro Suffner
Katja Kabanowa von Leoš Janáček wurde vor einhundert Jahren uraufgeführt, am 23. November 1921. Die Komische Oper Berlin hat sie nun in einer Neuproduktion von Jetske Mijnssen herausgebracht, die zur Trostlosigkeit des hiesigen Novemberwetters passt. Es ist keine Wohlfühloper, handelt sie doch von einer in einer glücklosen Ehe gefangenen Frau, die sich verliebt und in den Selbstmord getrieben wird. Zusammen mit ihren Bühnen- und Kostümbildnerinnen Julia Katharina Berndt und Dieuweke van Reij verlegt Mijnssen Janáčeks großartige Tragödie in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und stellt besonders heraus, in welchen engen Bahnen Katjas Leben verläuft. Gleich aussehende, aneinandergereihte, fensterlose Zimmer werden mal zur einen, mal zur anderen Seite verschoben. Sie sind durch Türen miteinander verbunden und es gibt jeweils an der Rückwand eine große Flügeltür, die nur in der Gartenszene geöffnet wird und zu grauem Nebel im Dunklen führt, was keinen der sonst üblichen romantischen Momente zulässt. Die Inszenierung verzichtet in ihrer Abstraktheit auf jegliche Bezüge zur Wolga, zum Gewitter oder zur Kleinstadtgemeinschaft. Im letzten Akt singen die Chorsolisten der Komischen Oper meisterhaft hinter der Bühne. Dennoch ist es eine beeindruckende Regiearbeit, äußerst einfühlsam und mitunter schonungslos, was die sozialen und emotionalen Feinheiten angeht, wodurch fehlender Naturalismus zugunsten eines verdichteten Realismus mehr als wettgemacht wird. Die Handlung wird hier und da verändert, was durchaus logisch erscheint: Kudrjasch gibt in der Eröffnungsszene bei Dikoj Unterricht und Katja vergiftet sich am Ende statt in die Wolga zu springen. Keine neue, aber wieder großartige Idee: ein Familienessen bei den Kabanows, das die vorherrschende Gefühlskälte schonungslos offenbart. Einen seltenen Glücksmoment gibt es, wenn Katja sich ihrer Kindheit erinnert und dabei ein weißes Laken schwenkt. Als verheiratete Frau darf sie nicht tun, was das hoffnungsvollere junge Paar Warwara und Kudrjasch macht oder sogar Dikoj und ihre Schweigermutter, als der Kaufmann mal wieder die Nacht bei der Witwe verbringt – eben Scheinheiligkeit vom Feinsten! Musikalisch ist es ein Ohrenschmaus. Giedrė Šlekytė dirigiert das Orchester der Komischen Oper Berlin zum ersten Mal. Klangfluten wie zart-nuancierte Stellen meistert es tadellos. Die Dirigentin liefert eine grandiose Deutung der Partiturlyrik und eines steten, darunter verborgenen Gefühls des Unbehagens, ohne den symphonischen Schwung zu kurz kommen zu lassen – ein großartiges Debüt! Annette Dasch gibt ebenfalls ihr Debüt in der Titelrolle wie auch am Haus. Sie durchmisst Katjas gemartertes Seelenleben mit unerschrockener Wahrhaftigkeit in qualvollen wie schönen Momenten gleichermaßen. Sie singt mit bemerkenswerter Hingabe und leuchtendem Ton, aber wenig dramatischem Impuls. Eisig im Ton lässt Doris Lamprechts furchterregende und grausame Kabanikha keinen Zweifel daran, dass sie wie eine skrupellose Geschäftsfrau die Fäden zieht, ihre Schwiegertochter unverhohlen verachtet, Dikoj manipuliert, der von Jens Larsens herrlich polterndem Bass gesungen wird, und ihren schwachen Sohn Tichon bösartig beherrscht, so dass wir letztlich Mitgefühl für ihn entwickeln. Gesungen wird er von Stefan Rügamer, dessen Tenorstimme sich ins Charakterfach entwickelt hat. Dramatisch im Ton gibt Magnus Vigilius mit solidem Tenor und bemerkenswerter stimmlicher Kraft einen ausgezeichneten Boris. Timothy Oliver ist als Kudryash wunderbar, nicht nur in der Gartenszene, in der die pragmatische Varvara von Karolina Gumos ihren biegsamen Mezzosopran wie in den Szenen mit Katja für einige der schönsten Stellen der Partitur einsetzt. Photo Jaro Suffner